23.07.2020, Jürgen Klug (gekürtzte Variante)
Jürgen Klug berichtet auf seinem Blog zum Thema Reisen mit Handicap. Im Auftrag des Saale-Unstrut-Tourismus e.V. war er zusammen mit seiner Frau und seinem Sohn in Saale-Unstrut unterwegs, um die Region zu testen.
Unser erster Ort, den wir bereisten, war Naumburg. Kaum im Zentrum der Stadt am Markt angekommen, fällt einem das beeindruckende alte Rathaus ins Auge, erbaut Ende des 15. Jahrhunderts und nach dem großen Stadtbrand 1517 in neun Jahren wiederaufgebaut. Dort haben wir erst mal in der ältesten Gaststätte der Stadt, dem Ratskeller, gespeist. Übrigens gibt es am Rathaus auch eine rollstuhlgerechte Toilette, die jederzeit mit dem Euroschlüssel (passt auf alle öffentlichen Toiletten für Menschen mit Behinderung) geöffnet werden kann.
Nach der Stärkung ging es zum Wahrzeichen der Stadt, dem Naumburger Dom, der seit 2018 zum Weltkulturerbe zählt. Erbaut wurde er größtenteils im 13. Jahrhundert. Erste Teile gehen aber schon auf die erste Hälfte des 11. Jahrhunderts zurück. In dieser Zeit hat man sich noch keine Gedanken über Barrierefreiheit gemacht. Heute im 21. Jahrhundert ist das anders. Die allermeisten Räume und Gebäude des Doms sind auch mit einem Rollstuhl gut zu erreichen. Bei den Gebäuden und Gebäudeteilen, die nicht gut erreichbar sind, wolle man noch weitere Möglichkeiten prüfen. Manches ist aber wegen des Denkmalschutzes schwer umsetzbar.
Fazit
Insgesamt hat die Stadt Naumburg viel Charme und das nicht nur wegen des Doms und des Rathauses. Ein Grund, warum ich mich aber wie ein Ritter fühlte, war das in den meisten historischen, mittelalterlichen Städten allgegenwärtige Kopfsteinpflaster in allen Facetten, mal gröber, mal feiner. Ich bin solches Pflaster aus meiner Hemat gewohnt, aber nach einer längeren Tour durch die Stadt spürte ich jeden einzelnen Knochen in meinem Körper.
Außerdem besuchten wir die Stadt Merseburg und ihr Wahrzeichen, dem Merseburger Dom. Auch hier besticht die Stadt durch ihre alten, gut erhaltenen und zum Teil restaurierten Gebäude. Der Dom selbst ragt, auf einer leichten Anhöhe gelegen, über die Stadt hinaus und wirkt in sich geschlossen. Umso mehr hatte ich das Gefühl, mich in einer anderen Welt und Zeit zu befinden. Auch hier sind fast alle Teile des Doms gut berollbar, wenn auch wie schon gewohnt über Kopfsteinpflaster. Dafür kann man, wenn man mit Auto anreist und einen Berechtigungsschein besitzt, direkt vor dem Eingang kostenlos parken.
Da sowohl der Naumburger, als auch der Merseburger Dom über eine Stiftung verwaltet und erhalten werden, wird jeweils am Eingang ein kleiner Obolus in Form von ein paar Talern verlangt. Was zu verschmerzen ist, wenn man bedenkt, wie viel Geld der Erhalt solcher Gebäude verschlingt. Für Personen mit Handicap und Begleitung gibt es nach Vorlage des Schwerbehindertenausweis ermäßigte Preise.
Wir bekamen einen Tipp für ein schönes Weingut entlang der Weinberge und Burgen. Wir gelangten zum ?Herzoglichen Weinberg Freyburg?. Dort wurden wir sehr freundlich von der Wirtin empfangen, die uns nicht nur einen tollen Wein servierte, sondern uns bei nettem Zusammensein alles über die Kunst des Weinbaus und der Weinkultur erzählte. Der Weinberg ist barrierefrei zu erreichen. Genau das Richtige für einen Genussmenschen wie mich. Hier hätte ich ewig verweilen können.
Ein weiteres Ziel war unter anderem die Arche Nebra. Das Gebäude, in der auch regelmäßig Sonderausstellungen zu sehen sind, entführt einen erst einmal in die Moderne. Ein großes, modernes, imposantes Gebäude, das wie in den Berg gemeißelt zu sein scheint. Die Geschichte dahinter führt einen aber wieder 3.600 Jahre zurück, in die Entstehungszeit der Himmelsscheibe von Nebra und einer untergegangenen Kultur Europas. Den Kern der Arche Nebra bildet das Planetarium, welches auch rollstuhlgerecht ist und in dem man in die Welt der Astronomie und der Himmelsscheibe eintauchen kann.
Wer in eine ganz andere Welt eintauchen und einen Spaß für die ganze Familie erleben möchte, der kommt an einem Ausflug zur Modellbahn Wiehe nicht herum. Hier wird auf 12.000 Quadratmetern alles präsentiert, was des Modelleisenbahners Herz höherschlagen lässt. Aus Europa, China, USA und vielem mehr gibt es hier alles in unterschiedlichen Maßstäben zu bestaunen. Ein tolles und absolut barrierefreies Erlebnis.
Der Geiseltalsee lädt an der Marina Mücheln zum gemütlichen Verweilen ein. Auf dem Wasser gibt es reichlich Freizeitangebote, die allerdings nicht barrierefrei oder nur bedingt barrierefrei sind. Wie eine Fahrt auf der MS Geiseltalsee, auf die man zwar gelangt, aber als Rollstuhlfahrer keinen Zugang zu den Decks hat. Hier würde ich mir eine Nachbesserung wünschen.
Fazit
Eine Erkenntnis durch meine vielen Reisen ist, dass es zwar im internationalen Vergleich noch einige Schwächen im Bereich Barrierefreiheit in Deutschland gibt, immer mehr Regionen aber nachziehen und sehr bemüht sind, dies auszugleichen. Dies halte ich auch für extrem wichtig, denn wie meine Reise in die Saale-Unstrut-Region gezeigt hat, gibt es wunderschöne und absolut sehenswerte Regionen, in die sich ein Besuch lohnt. Wer braucht schon einen Weinberg in Südfrankreich, wenn doch ein ebenso schöner in greifbarer Nähe ist?
Zum ausführlichen Bericht auf dem Blog geht es hier entlang.
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